Kapitel 1: Der Dunkle Kuss
Es ist endlich wieder Frühling und in der Jahreszeit die schon seit Jahrtausenden für Neubeginn und Umbruch steht, beginnt für mich auch eine neuer Lebensabschnitt. Ich habe heute meinen letzten Tag hier in Wiesbaden, denn ab morgen führt mich meine Arbeit nach Berlin.
Ich stehe nun ein letztes mal in meinem Büro, nehme noch einmal Abschied von meinem Bücherregal mit Büchern von Musk, einer meiner Vorbilder, übergebe meine Pflanzen an meine Parteikollegen und verlasse das Büro wie an jedem anderen Tag.
Ehe ich es merke ist es 19 Uhr, ich bin endlich in Berlin gelandet und werde direkt zu meiner neuen Wohnung gebracht, der Transporter ist noch auf dem Weg, deshalb ist es relativ überschaubar. Ich sitze in meinem leeren Zimmer bis dann um 23 Uhr plötzlich mein Handy klingelt.
"MARAL WO BIST DU?" hörte ich vom anderen Ende mit lauter Techno Musik im Hintergrund
"Ich bin Zuhause, morgen ist mein erster Arbeitstag, hast du das schon vergessen?" antwortete ich verwirrt, die Nummer war unterdrückt, aber es war wahrscheinlich einer meiner Freunde aus der Volt Jugend.
"KOMM SOFORT INS SISYPHOS, DU BIST IN BERLIN, LEB MAL EIN BISSCHEN" wurde mir durch den Hörer in Ohr geschrien.
Sollte ich wirklich jetzt noch in den Club? Ich meine ich muss morgen arbeiten, ich kann doch nicht an meinem ersten Arbeitstag schon direkt verklatscht von der vorherigen Nacht sein, andererseits hatte die Person recht, ich bin in Berlin und sollte mein Leben genießen, ich kann schließlich auch früher Heim, falls es doch zu Spät wird.
"Gib mir 20 Minuten" sagte ich während ich auflegte, nun hieß es mich in kurzer Zeit fertig zu machen und in den Club zu fahren.
Im Club angekommen suche ich vergeblich nach meinen Parteikollegen, aber weit und breit ist niemand zu sehen, also versuche ich ein bisschen alleine Spaß zu haben, ich tanze, obwohl Techno eigentlich gar nicht meine Musik ist, aber heute ist anders, heute bin ich nicht die Maral aus Wiesbaden, sondern die aus Berlin, die sich traut ihre Komfortzone zu verlassen.
Und verlassen habe ich sie, ehe ich denken konnte fand ich mich in einem Darkroom wieder, ich dachte bis heute diese Orte sind Urbane Legenden, etwas was sich Menschen ausgedacht haben, aber nein sie existieren wirklich und ich war mitten drin. Die Dunkelheit war beinahe greifbar, die Luft dicht und schwer vom Gemisch aus Rauch, Schweiß und Leidenschaft. Ich fühlte mich nie so frei wie in diesem Moment, befreit von den Erwartungen und Rollen, die ich sonst spiele. Ich ließ mich einfach von diesem Gefühl treiben
Plötzlich stolperte ich und landete in den Armen einer Frau "Entschuldigung," nuschelte ich instinktiv, aber meine Worte gingen in der Musik und unter. Eine warme Stimme antwortete, aber ich konnte die Worte nicht verstehen. Es war die Art Stimme, die sofort ins Gedächtnis brennt, voll Selbstbewusstsein und zugleich Charmant.
"Du bist nicht oft hier, oder?" fragte sie.
Ich lachte leise. "ja, haha, das ist mein erster Abend in Berlin."
"Na dann, Herzlich Willkommen" sagte sie voller Selbstbewusstsein, ihre Nähe war spürbar, aber ich konnte ihr Gesicht nicht sehen.
Wir standen eine Weile so da, ohne uns zu bewegen, ich lag auf ihrem Netzoberteil und sie schaute mich an, während die Geräusche um uns herum verschwammen. Dann berührte sie sanft meine Hand, es war zugleich beruhigend als auch aufregend.
"Manchmal musst du dich treiben lassen," sagte sie, und bevor ich es ahnen konnte, kamen wir uns näher. Es war, als würde die Gravitation uns zusammenziehen.
Der Kuss war unerwartet, aber er fühlte sich richtig an, nur das Gefühl des Augenblicks, das all meine Gedanken überlagerte. Ihre Lippen waren weich, die Berührung intensiv, und ich verlor mich darin, für einen Moment frei von allem, was außerhalb dieses Raumes existierte.
Aber so schnell der Moment auch kam, war er dann wieder vorbei. Wir verloren uns in der Menge, das einzige was ich von ihr sah, war ihr blauer Ring, welcher mit ihr zusammen im Meer voll Menschen verschwand.
Kapitel 2: Der Blaue Ring
Am nächsten Morgen stand ich früh auf, die Aufregung über meinen ersten Arbeitstag ließ keinen Raum für Müdigkeit. Mein Kopf war noch voller Bildern von letzter Nacht, die Musik, dieser Moment im Darkroom dieser Kuss. Der Kuss, der mir nicht aus dem Kopf ging. Das einzige was mir bleibt ist die Erinnerung wie ihre Hand mit dem blauen Ring in der Menge verschwand
Ich schüttelte die Gedanken ab, versuchte mich auf die Arbeit zu konzentrieren. Es war wichtig, professionell zu wirken. Ich repräsentierte nicht nur mich selbst, sondern auch meine Partei und die Werte, für die wir stehen.
Mit einem schweren Magen betrat ich dann den Sitzungssaal. Der Raum war beeindruckend, doch ich ließ mich nicht von der Architektur ablenken. Stattdessen bereitete ich mich mental auf das vor, was kommen würde, mein erster Tag in der Bundespolitik.
Dann sah ich sie. Alice Weidel.
Ihre Präsenz war unverwechselbar, und nicht auf die gute Art. Sie war alles, wofür ich nicht stand: konservativ, populistisch, eine Person, die ich schon immer nur kritisieren konnte. Ihre Politik machte mich wütend, und sie selbst hatte mir nie Anlass gegeben, anders über sie zu denken.
Doch heute war es anders.
Während sie mit einem Kollegen sprach, bemerkte ich etwas, das mein Herz schneller schlagen ließ, an ihrer Hand fiel mir ein ein blauer Ring auf. Der gleiche Ring von letzter Nacht.
Ich starrte ihn an, meine Gedanken rasten. Es konnte nicht sein. Doch je länger ich hinsah, desto sicherer wurde ich. Das war der Ring. Ihr Ring.
Mein Magen zog sich zusammen, eine Welle aus Verwirrung und Übelkeit überrollte mich. Alice Weidel, die Frau, die moralisch und politisch mein kompletter Gegensatz ist, konnte unmöglich die Person sein, mit der ich gestern Nacht...
Plötzlich kreuzten sich unsere Blicke, für einen Moment schien sie überrascht, als würde sie mich erkennen. Sie schaute tief in meine Augen, so als ob sie sich gerade auch wieder an die letzte Nacht erinnern, bevor sie sich wieder abwandte.
Mein Kopf dröhnte. War es möglich, dass sie... es auch wusste?
Den Rest der Sitzung über konnte ich mich kaum konzentrieren. Ich vermied es, in ihre Richtung zu sehen, doch meine Gedanken ließen mir keine Ruhe. Der Hass und die Hetze ihrer Worte in den politischen Debatten passten so gar nicht zu der Wärme der Person von letzter Nacht.
Nach der Sitzung blieb ich noch kurz sitzen, mein Kopf voller Fragen. Plötzlich hörte ich ihre Stimme, nah und unverkennbar. "Maral!"
Sie stand vor mir, ihr Blick kühl und durchdringend wie immer. Doch da war etwas in ihren Augen, das mich aus dem Konzept brachte.
"Interessant dich hier zu sehen, hätte nicht gedacht, dass ihr es in den Bundestag schaffen werdet." sagte sie, ihre Stimme ruhig, fast herausfordernd.
Ich versuchte, mich zu sammeln. "Warum sollte es das sein? Die Leute lieben Volt!"
Sie hob eine Augenbraue, ein winziges, kaum merkliches Lächeln spielte auf ihren Lippen. "Natürlich tun sie das. Naja frohes schaffen..."
Ihre Hand bewegte sich leicht, und ich sah den Ring schon wieder. Es war, als würde sie ihn absichtlich in mein Blickfeld bringen. Mein Herz schlug schneller, doch ich hielt ihrem Blick stand.
Hatte sie es erkannt? War sie die Frau von letzter Nacht? Oder spielte sie nur mit mir?
Ich wusste nur eines: Das hier war erst der Anfang.
Kapitel 3
Die Gedanken an den blauen Ring ließen mich den ganzen Tag nicht los. Wer war die Frau, die mich letzte Nacht so sehr berührt hatte? Und warum trug Alice Weidel denselben Ring? Mein Verstand wollte diese beiden Welten nicht verbinden, doch mein Bauchgefühl sagte mir, dass hier etwas Tiefgründiges verborgen lag.
Der Rest des Tages verlief wie im Nebel. Die Debatten, die Gespräche – alles schien mich nur zu streifen, als ob ich durch eine dicke Glasscheibe zusehen würde. Abends in meiner neuen Wohnung angekommen, ließ ich mich auf die Couch fallen und starrte die leeren Wände an. Meine Gedanken spielten Szenarien durch, doch nichts ergab wirklich Sinn.
Gegen Mitternacht vibrierte mein Handy. Eine neue Nachricht.
Unbekannte Nummer:
"Du bist neu hier, oder? Treffpunkt: Brandenburger Tor. 1 Uhr."
Mein Herz setzte einen Moment aus. Die Worte waren knapp, aber etwas an ihnen ließ keinen Zweifel daran, wer der Absender war. Oder besser gesagt: wer es sein könnte. War es die Frau vom Sisyphos? Oder war es… Sie? Ich konnte nicht widerstehen. Der Drang, Antworten zu finden, war stärker als jede Vorsicht.
Um kurz vor eins stand ich vor dem Brandenburger Tor. Die Nacht war klar und kalt, nur wenige Touristen liefen umher. Meine Hände zitterten, und ich war mir nicht sicher, ob es an der Kälte oder an meiner Nervosität lag. Plötzlich trat eine Gestalt aus den Schatten. Ihre Silhouette war unverkennbar.
Alice Weidel.
"Ich wusste, dass du kommen würdest," sagte sie, ihre Stimme ruhig, aber mit einem Hauch von Spannung. Der blaue Ring funkelte im Licht der Straßenlaterne.
"Was soll das? Was willst du von mir?" platzte ich heraus.
Sie sah mich mit einem Ausdruck an, den ich nicht deuten konnte – eine Mischung aus Neugier und Ernst. "Ich wollte sehen, ob du wirklich diejenige bist, für die ich dich halte."
"Und? Bin ich das?" fragte ich, mein Herz raste.
Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, das so schnell verschwand, wie es gekommen war. "Vielleicht." Sie machte eine Pause, dann fügte sie hinzu: "Manchmal sind Menschen nicht das, was sie nach außen hin darstellen, Maral."
Ihre Worte trafen mich wie ein Blitz. War das ein Eingeständnis? Oder ein Spiel? Die Distanz zwischen uns schien plötzlich unerträglich. Ich wollte Antworten, Klarheit – und stattdessen war da nur dieses Mysterium.
"Warum trägst du diesen Ring?" fragte ich schließlich und deutete auf ihre Hand.
Ihre Augen verengten sich, und sie drehte den Ring langsam am Finger. "Er ist mir wichtig. Eine Erinnerung daran, dass auch ich… frei sein kann." Ihre Stimme klang plötzlich weicher, fast verletzlich.
"Frei? Von was?" Meine Stimme war schärfer, als ich wollte.
"Von allem. Von Erwartungen. Von Politik. Von all dem Theater." Sie trat einen Schritt näher. "Hast du jemals daran gedacht, dass die Menschen, die du verachtest, vielleicht genauso in Käfigen sitzen wie du?"
Ich war sprachlos. Diese Alice Weidel war nicht die Frau, die ich aus den hitzigen Debatten und den Medien kannte. Doch gleichzeitig wusste ich, dass ich auf gefährlichem Boden stand.
"Das ändert nichts an dem, was du repräsentierst," sagte ich schließlich. "Was du sagst. Was du tust."
"Vielleicht nicht." Sie zuckte mit den Schultern. "Aber letzte Nacht war ich nicht diese Person. Und du auch nicht."
Ihre Worte hingen zwischen uns wie dichter Nebel. Für einen Moment war es, als würde die Welt um uns herum stillstehen. Ich wollte etwas sagen, doch die Worte blieben mir im Hals stecken.
"Manchmal ist das Leben komplizierter, als wir es uns wünschen, Maral," sagte sie leise. "Und manchmal sind wir gezwungen, Masken zu tragen, um zu überleben."
Dann drehte sie sich um und ging, ihre Silhouette verschwand in der Dunkelheit. Zurück blieb nur ich – und die vielen Fragen, die keine klaren Antworten zuließen.
Doch eines wusste ich: Dies war nicht das Ende. Es war erst der Anfang eines Spiels, das gefährlich und aufregend zugleich war. Und ich war mittendrin.
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