Ist der 9.November als Gedenk- und Feiertag geeignet?
Der 9.November wird hin und wieder als „Schicksalstag der Deutschen" betitelt,
dennoch ist der 3.Oktober der nationale Feiertag. Die Frage bleibt bestehen, ob nicht
der 9.November diese Ehre eher verdient hätte. Viel mehr hat sich an diesem Datum
abgespielt, als es so manchem bewusst ist, die Verbindung der Novemberrevolution,
Pogromnacht und dem Mauerfall zu diesem Tag ist schließlich einigermaßen bekannt.
Die Geschichte vom 9.November beginnt nämlich bei einer anderen Revolution: Der
Märzrevolution 1848. Obwohl es zunächst merkwürdig klingt, hat auch bei dieser
deutschen Revolution der 9.November eine zentrale Bedeutung. Denn nach der
Erhebung der Bürger für ihre Rechte wie Meinungs-, Presse- und
Versammlungsfreiheit und der verschiedensten Reaktionen der Machthaber gilt die
Erschießung von Robert Blum als ein ungefähres Ende der Revolution. Robert Blum
war ein demokratischer Abgeordneten, welcher bei seiner Ermordung „Ich sterbe für
die Freiheit!" gesagt haben soll.
Eine weitere deutsche Revolution, die Novemberrevolution, hatte am 9. November
ihren Höhepunkt. Losgelöst durch die Matrosen in Kiel, welche sich weigerten Ende
des 1. Weltkriegs sinnlos zu sterben und daher einen Aufstand anzettelten, der sich
wie ein Lauffeuer durch ganz Deutschland verbreitete. Revolutionäre Arbeiter- und
Soldatenräte wurden in allen möglichen Städten gebildet, Karl Liebknecht rief als
Höhepunkt dazu am 9. November in Berlin die „freie sozialistische Republik" aus.
Philipp Scheidemann gelang es jedoch spontan ihm zuvor zu kommen und rief selbst
die Republik aus, am gleichen Tag sah sich der Kaiser gezwungen abzudanken, daher
wurde die Grundlage der ersten deutschen Demokratie gelegt.
Die Weimarer Republik erlebte in ihren jungen Jahren jedoch zahlreiche Krisen,
gebunden an einen Versailler Vertrag, den die meisten Deutschen mit Leidenschaft
ablehnten und bekämpften, die darauffolgende Besetzung des Rheinlandes und durch
die Inflation zusätzlich geschwächte Wirtschaft. Viele zog es zu politisch extremen
Lagern, die deutsche Demokratie musste sich gegen Umsturzversuche von links und
rechts wehren. Adolf Hitler und seine rechtsradikale Splitterpartei NSDAP versuchten
sich diese prekäre Lage zu Nutzen zu machen und starteten einen Putschversuch, der
jedoch von der Polizei unterbunden wurde. Der „Hitlerputsch" ereignete sich vom 8.
auf den 9. November 1923 und seit der Machtübernahme 1933 gedachten Hitler und
seine Anhänger jedes Jahr im Münchner Bürgerbräukeller diesem Ereignis.
15 Jahre nach dem Putschversuch scheiterte ein Attentat des Kommunisten Georg
Elser auf den Diktator, dies ereignete sich jedoch am Abend des 8. Novembers.
Im Zusammenhang des 9. Novembers und der nationalsozialistischen Diktatur ist die
Pogromnacht vom Vorjahr jedoch von zentraler Bedeutung. Weitere
Begriffsverwendungen wie „Reichskristallnacht" oder „Reichspogromnacht" sind
unpassend da sie Begriffe der Diktatur reproduzieren.
Die offene Gewalt gegenüber Jüdinnen und Juden geschah in Form von zahlreichen Deportationen, Anzünden der Synagogen und Mord durch Nationalsozialisten. Durch diese offene Gewalt, die vom Staat toleriert und gewollt war, erreichte die systematische Entrechtung der Juden eine neue Stufe
und die Anbahnung des Völkermords wurde immer offensichtlicher.                                      Dieser gezielte Hass und Antisemitismus war offen für jeden sichtbar.
Zwischen der Pogromnacht und dem Mauerfall befinden sich vier weitere
erwähnenswerte Ereignisse, die im Zusammenhang mit der 68er Bewegung stehen.
Der berühmte Spruch „Unter den Talaren Muff von 1000 Jahren" wurde
beispielsweise 1967 in die Universität Hamburg hineingetragen und wirkte sich
symbolträchtig auf die Studentenproteste aus. Die linksterroristischen Tupamaros
West - Berlin verübten zwei Jahre später einen Attentatsversuch auf das jüdische
Gemeindehaus, sich der historischen Bedeutung dieses Tages bewusst, wodurch der
gescheiterte Versuch um so perfider ist. Holger Meins starb 1974 aufgrund seines
Hungerstreiks, wobei es vereinzelt Aktionen für das RAF-Mitglied gab. Drei Jahre
später führte die Bewegung 2. Juni, eine weitere terroristische Organisation, eine
Entführung durch.
Schlussendlich wäre noch der Mauerfall, der das Ende der Teilung Deutschlands
besiegelte. Die Pressekonferenz mit dem hochrangigem SED-Mitglied Günter
Schabowski galt als Auslöser dafür, dass zehntausende Menschen Richtung
Westberlin strömten. Schabowski verkündete die Reisebeschränkungen seien
aufgehoben, zuvor gab es massenhafte Proteste für eine Erneuerung der DDR und
Abschaffung der Diktatur. Der 9. November 1989 gilt daher als zentraler Tag für die
Wiedervereinigung.
Die Ereignisse am 9. November haben Deutschland wie kein anderer Tag geprägt:
linke Umsturzversuche, Grausamkeiten der Nationalsozialisten und Geburt der
Demokratie.
Dennoch ist der 3. Oktober der nationale Feiertag, da an diesem Tag 1990 die
Wiedervereinigung besiegelt worden ist. Jedoch ist für einige Ostdeutsche dieser Tag
mit der Einverleibung der DDR in die Bundesrepublik verbunden, die für Probleme
sorgte, sodass eine viel verbreitete Meinung ist, dass die Integration der neuen
Bundesländer und somit die Wiedervereinigung ein Prozess ist, der noch lange nicht
abgeschlossen ist. Hingegen lässt sich eine erdrückende positive Konnotation mit
dem 9. November 1989 feststellen, welche bei dem 3. Oktober 1990 nicht in dem
Ausmaß zutrifft.
Zusätzlich fallen die weiteren Ereignisse vom 9. November mit in die Waagschale,
wodurch bezüglich der Relevanz der 3. Oktober als unpassender nationaler Feiertag
erscheint. Selbstverständlich ist es essentiell zu berücksichtigen, dass die
Beschreibung Feiertag auf den 9. November, allein aufgrund der Pogromnacht, nicht
zutrifft.
Deshalb wäre es angebracht, den 9. November als nationalen Gedenk- und Feiertag
festzulegen, um sicher zu stellen, dass die zahlreichen Ereignisse in Zukunft mehr in
das Erinnerungsbewusstsein rückt.
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