Fridolin Haagen: Dann begrüße ich Sie nochmal ganz herzlich zu dem Kurzinterview. Ich würde gerne sehr tagesaktuell beginnen, denn sie kommen ja auch aus NRW und ich denke, dass Lützerath gerade ein Thema ist, das sehr viele interessiert und beschäftigt. Was ist Ihre Einschätzung dazu?
Dr. Anne Monika Spallek: Letztendlich ist es auch so, dass wir uns gewünscht hätten, dass Lützerath bleibt und die Kohle darunter nicht abgebaggert wird, aber es ist im Rahmen einer Verhandlung ein Ergebnis gewesen, sodass man gesagt hat, man rettet fünf Dörfer und schont die Kohle darunter und schafft den Kohleausstieg dafür 2030, d.h. es ist alles im Rahmen eines Gesamt Kompromisses ausgehandelt worden und die bittere Pille war, dass Lützerath halt abgebaggert wird. Das ist jetzt das, was vereinbart worden ist, wird jetzt rechtlich umgesetzt. Grundsätzlich ist es ja gut, dass der gesellschaftliche Druck aufrecht erhalten wird, durch Demonstrationen, solange sie friedlich sind, weil wir uns natürlich mehr gewünscht hätten, aber ein Wahlergebnis von 18,2% in NRW oder 14,7% im Bund ist halt auch nicht mehr umzusetzen, dass muss einem bewusst sein. Deswegen begrüßen wir es grundsätzlich, wenn da weiter demonstriert wird, aber auf der anderen Seite haben wir auch relativ viel erreicht als Grüne.
Fridolin Haagen: Ein ähnlicher Kompromiss, der ausgehandelt worden ist in der Ampel-Regierung ist der Ausstieg in der Energiecharta und die Zustimmung zu dem CETA-Abkommen, da war es auch der Fall, dass sehr viel dagegen demonstriert worden ist, mit prominentesten Grünen-Politikern an vorderster Front. Sie haben ja auch angedeutet, man müsste die Grünen mehr wählen, damit sie auch mehr verhandeln könnten, aber wir sehen gerade sehr viele Kompromisse, da ja auch gerade das Tempolimit nicht durchkommt. Wo bleibt eigentlich die Garantie, dass dann wirklich viel passiert?
Spallek: Wichtig ist, ob diese Kohle gebraucht wird oder nicht, hängt ja auch davon ab, wie gut machen wir vorwärts beim Ausbau erneuerbarer Energien und wie viel Energie sparen wir auch. Das heißt, es gilt die gesamte Gesellschaft da zu überzeugen da mitzumachen, um weiterhin auf dem 1,5 Grad Weg zu bleiben. Es ist immer so, dass wir im Wahlprogramm haben als Grüne, wo wir sozusagen unsere Überzeugung reinschreiben und es heißt ja auch immer, “alle Dörfer bleiben”, andererseits hatten wir uns auch immer vorgestellt, idealerweise ist der Kohleausstieg 2030 im Koalitionsvertrag, das war schon recht vorsichtig und jetzt haben wir es doch hingekriegt, also für den Westen im Moment und deshalb sind wir da eigentlich sogar an unser Ziel rangekommen.
Fridolin Haagen: Was mir jetzt aufgefallen ist, dass sie sehr viel skizziert haben, dass die Gesellschaft weniger Auto fahren soll, dafür mehr Bahn und die Gesellschaft Druck ausüben soll. Aber im Endeffekt ist nicht die Klimakrise nicht unbedingt durch die gesamte Gesellschaft erzeugt worden, sondern eher durch die reichsten 10%. Müsste man nicht eigentlich in der Regierung als linke oder halb-linke Partei den Druck auf die Reichsten nochmal erhöhen, da die nachweislich viel mehr für die Klimakrise verantwortlich sind.
Spallek: Das ist genau so richtig, ja. Da ist der größte Hebel, indem man auch beispielsweise Vermögen umverteilt. Die Frage ist, auch solche Sachen kriegen wir im Moment gesellschaftlich von den Wahlergebnissen oder vom Koalitionsvertrag nicht um. Aber es ist so und daher ist der andere Weg halt, Menschen zu überzeugen, mitzumachen. Im Thema Wirtschaft beispielsweise zu überzeugen, da geht die Wirtschaft ja auch mit, dass nachhaltige Geschäftsmodelle eigentlich nur noch erneuerbare Geschäftsmodelle sind. Und da sieht man auch den Wechsel im Moment, das heißt, eine erfolgreiche Wirtschaft ist oder auch womit man Geld verdienen kann, kann auch durchaus ein Geschäftsmodell sein, mit dem ich klimaneutral oder klimapositiv bin. Und wenn sich das umsetzt, dass ich mit einem fossilfreien Wirtschaftsmodell erfolgreich werde, kann ich auch die Wirtschaft gewinnen dafür mitzugehen und auch das kann Teil eines "Game Changers" sein, um die Klimakrise anzugehen.
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